Gleich sein

von Victoria Grader

Wir leben in einer fremden Stadt. Wir sind da, weil sie sagen, dass hier alle gleich sind. Manche Häuser in den besseren Vierteln sind so schön, dass man sich einfach vorstellen muss, wie das eigene Leben aussehen würde, wenn man einer von ihnen wäre. Es wäre ein Leben mit Zaun, Rasen, Beet und Rosenstöcken. Mit Sandkasten, Außenbassin und Festzelt an Geburtstagen. Mit Urlaub, Haustier, Nanny und Wintergarten.

Wir wohnen in einer Betonwüste, neben Unseresgleichen. Stehen im Morgengrauen auf, fahren in die schönen Viertel, putzen die besseren Häuser und stellen uns vor, wie es wäre, eine selbstreinigende Küchenmaschine zu besitzen. In der Abenddämmerung steigen wir in Züge, fahren von Weiß nach Grau. Zuhause kneten wir Teig, spülen mit den Händen, streicheln die Köpfe unserer Kinder. Bis die Nacht tiefschwarz ist, überlegen wir, was wir kaufen können, um unser Leben besser zu machen. Sparen auf Staubsauger und Spülmaschine.

Wir sind viele. In einer Welt, in der das Leben so kostbar ist, beschweren wir uns nicht. Arbeiten für die, die sich unsere Arbeit leisten können. Werfen nur ab und zu einen Blick in ihre Schränke, Vorgärten, Brotdosen. „Unsere Kinder werden es besser haben“, sagen wir uns und schrubben weiter. Irgendwann werden sie hoffentlich zu denen gehören, die sagen, dass hier alle gleich sind.

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  1. wolfgang sagt:

    wäre so schön…

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