Fehlplatziert

von Alexander Wachter

Immer wenn ich Lebensmittel in Supermärkten sehe, die offensichtlich am falschen Platz stehen, denke ich mir Geschichten über die Menschen aus, die sie dorthin gestellt haben. Hier sind vier davon:

Glühwein bei den Tempos

Martins Freundin ist ein Lebemensch. Zur Winterzeit erspäht man sie üblicherweise auf allerlei Weihnachtsmärkten mit reichlich Glühwein intus, umringt von lautem Gelächter und einer fettigen Bratwurst in der Hand. Dieses Jahr soll es laut Verordnung jedoch keine Weihnachtsmärkte geben. „Dumme Pandemie“, beklagt sich seine Freundin immerzu, doch jetzt ganz besonders. Martin beschließt, ihr einen Glühwein zur Aufmunterung mitzubringen. Sie würden sich eben einen Weihnachtsmarkt im Wohnzimmer mit Freunden machen.

Gerade steht er im Supermarkt, als seine News App ihm mitteilt, dass ein weiterer Lockdown beschlossen wurde. Er stellt sich die Reaktion seiner Freundin vor: Ihre geweiteten Nasenlöcher, das schrille Entsetzen.

Martin stellt die Glühweinflasche ins Regal neben sich und greift stattdessen nach drei Packungen Klopapier. Beim Vorbeigehen angelt er sich eine Flasche Gin aus dem Regal. Tonic Water haben sie noch Zuhause.  

Mandarinenbecher im Nudelregal

Normalerweise erledigen Tanja und Thomas ihre Einkäufe gerne zusammen. Sie schreibt die Einkaufsliste, er ergänzt sie. Sie wartet bei der Wursttheke und achtet darauf, das beste Stück Filet zu bekommen, während er sich um die restlichen Artikel kümmert. Doch normalerweise macht Tanja auch nicht das Handschuhfach seines Wagens auf und entdeckt eine Packung Zigaretten – und das obwohl Thomas ihr hoch und heilig versprochen hat, er rauche seit drei Monaten nicht mehr. „Ein, zwei Zigaretten in der Woche sind doch nicht so schlimm“, beschwichtigt Thomas sie. Tanja schüttelt den Kopf. Er weiß einfach nicht, was gut für ihn ist.

Während sie heute an der Wursttheke wartet, raucht ihr Kopf. Der Verkäufer bekommt nur eine schnippische Antwort von ihr, mit der vordrängelnden Frau neben ihr beginnt sie beinahe eine Rauferei. Als Thomas mit den restlichen Einkäufen zu ihr stößt, sieht Tanja, dass er einen Mandarinenbecher, keine frischen Mandarinen in den Korb gelegt hat. „Was ist das für ein Scheiß“, fragt sie ihn. „Mandarinen“, antwortet er. Tanja rümpft die Nase und knallt den Becher in das Regel neben sich. Er weiß einfach nicht, was gut für ihn ist.

Thomas erwidert nichts. Jahre an Beziehung haben ihn das gelehrt.

Sekt zwischen Wasserflaschen

Mariola braucht Prosecco, denn es gibt einen Grund zum Feiern: Ihre beste Freundin ist schwanger. Ein Traum ist in Erfüllung gegangen. Seit dem ersten, gemeinsamen Partyurlaub weiß Mariola, dass ihre beste Freundin Mutter sein möchte – der richtige Mann ließ lange Zeit auf sich warten. Unzählige Tinderdates und Verkuppelungen sind notwendig gewesen, damit ihre beste Freundin endlich den Mann fürs Leben fand. Doch auch nachdem dieser in ihr Leben getreten war, ließ der Nachwuchs auf sich warten. Zwischenzeitlich hat ihre beste Freundin bereits die Hoffnung aufgegeben Umso größer war nun die Freude. Darauf muss ordentlich angestoßen werden, denkt sich Mariola.

Erst später reflektiert sie, dass Prosecco wohl nicht das beste Getränk ist, um auf eine Schwangerschaft anzustoßen. Was trinken Menschen denn, wenn sie keinen Alkohol trinken? Kindersekt? Wasser? Mariola nimmt von allem ein wenig mit: Fruchtsäfte, Limonade, prickelndes Wasser und prickelndes Wasser mit Geschmack. Den Prosecco lässt sie schweren Herzens da.

Raumspray neben Premium-Katzenfutter

Peter geht im Kopf seine Einkaufsliste durch: Eigentlich nur Mehl und ein Raumspray. Dafür braucht er keinen Korb. Das Mehl ist schnell gefunden, doch die Hygieneabteilung bereitet ihm Kopfzerbrechen: Seit wann gibt es so viele, verschiedene Sorten von Raumsprays? Honigmelisse oder lieber doch Zitronengras? Möchte er „neutralisierende Frische“ oder „ein Frischearoma ohne Niederschlag“? Schlussendlich wählt er einen Rosenduft, den er glaubt, bei seinem Nachbarn einmal gerochen zu haben.

Da fällt Peter ein, dass er sich noch ein Joghurt zum Frühstück mitnehmen sollte. Ein paar Früchte zum Reinschneiden wären auch nicht übel, überlegt er und holt sich noch ein, zwei Äpfel und Trauben. Bei der Wursttheke verleitet ihn das Angebot für Hackfleisch, vor dem Süßigkeitenregal der 3-für-1-Rabatt für Schokokekse. Er legt die Kekse auf das Hackfleisch, schiebt die Früchte, den Raumspray und das Joghurt zurecht und klemmt alles zwischen Arme und Kinn. Langsam bereut Peter es, keinen Korb mitgenommen zu haben.

Auf dem Weg zur Kasse überlegt er, ob er überhaupt noch Futter für seine Katze zu Hause hat. Sicherheitshalber sollte er wohl noch eine Packung mitnehmen. Peter legt Teile seines Einkaufs ins Regal, nimm sich das Premiumkatzenfutter für seinen Stubentiger und stapelt seine Einkäufe einzeln wieder auf seine Arme. Das ist nun wirklich alles, denkt er und eilt zur Kasse.

Hast du auch schon einmal solche falsch platzierten Lebensmittel gesehen und dich gefragt, warum sie hier liegen? Was war deine Erklärung dafür?

Hat dir der Text gefallen? Hier findest du noch weitere Freitagstexte von Alexander Wachter.

Ein Kommentar Gib deinen ab

  1. Anna Neumann sagt:

    Menschen geht es genauso,wenn sie Demenz haben oder nur alt und gebrechlich sind. Ach Ja junge Menschen sind mit ein geschlossen.

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