Es ist heiß #3 – Tischwolke 7

von Arina Molchan

Sie lächelte, und er dachte an Wassermelonenschnitze: Ihre Lippen formten den wunderbarsten Halbkreis und zeigten viel zu viel Zahnfleisch. Sie verdeckte es mit ihren Fingerknöcheln, legte sich die Kirschkernfingernägel an die Zähne und kaute bei dieser Gelegenheit, bis der Lack splitterte und die Nagelhaut blutete. Dann umarmte sie, als wäre nichts gewesen, mit den aufgerissenen Fingern ihr Glas und trank den restlichen Himbeersmoothie.

Als er sie das erste Mal hier sah, trug sie dieses schrille Kleid mit Johannisbeerrispen und Orangenscheiben im Muster. Er hatte sie durch das kleine Küchenfenster beobachtet, wie sie am Tisch 7 ihren Fruchtsaft nippte, das Röhrchen dabei fransig kaute, die Physalis vom Glasrand mit spitzen Fingern pflückte und auf den Untersetzer legte, um dann den trockenen Blütenkelch zu zerbröseln. Er rührte währenddessen zu viel Honig in das Dessert für den Tisch 2, oder Tisch 3 oder irgendeinen Tisch, und das nur, weil sie so verträumt alles zerstörte; später verwechselte er das Quittengelee mit der Mirabellenmarmelade, Mango mit der Papaya – nur wegen ihr.

Auch in den nächsten Tagen kam sie. Sie saß immer alleine, trank Minze, Gurke, Holunder auf Eis. Einmal auch Stachelbeeren. Er steckte ihr Limetten an ihr Smoothieglas, um zu sehen, wie sie das Gesicht verzog und dann lachte, weil das Grün so sauer war, und dann den Röhrchenstengel zerkaute.

Irgendwann überredete er Miguel, ihn in der Küche kurz zu vertreten, um sie einmal selbst zu bedienen. Er brachte ihr das Getränk an den Tisch und eine Kornblume dazu. Sie lächelte ihn an in ihrem Vergissmeinnichtkleid, nahm die Blume und roch daran.

Sie sagte leise „Danke“. Ihre Mundwinkel waren dunkel vom Heidelbeersaft. Sie zeigte ihm zu viel Zahnfleisch, und legte verlegen die Fingerknöchel an ihren Brombeermund. Mit Gelee in den Knien kehrte er zurück an seinen Arbeitsplatz, die Gedanken ganz zerstreut.

In den nächsten Tagen, Wochen, Monaten bereitete er Desserts zu und schnitt Früchte auf. Bei jedem neuen Gast blickte er durch das kleine Küchenfenster, aber die Tischwolke 7 blieb leer. Jeden Tag bereitete er in Gedanken für sie einen Fruchtregenbogen vor, umsonst. Er wusste ja auch nicht, dass sie all die Farben noch nie sehen konnte.

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