Spinning Around

von Ina Nádasdy

Ich muss tanzen. Mich bewegen. Zu den elektronischen Tönen. Bass und Herzschlag im Takt. Mein Herz kann nicht anders. Der Synthesizer berauscht und stellt ruhig.

Süßer Nebel steigt auf. Die Diskokugel reflektiert die bewegten Lichter. Farben tanzen am dunklen Himmel wie die Körper am Boden. Auch mein Körper bewegt sich zur Musik, bewegt sich einfach, so wie der Synthesizer es bestimmt. Musik dröhnt in meinen Ohren. Ich verstehe mein eigenes Wort nicht. Ich spüre nur den Fluss der Bewegung, den meinen und den der anderen Leute um mich herum. Ich fühle ihre Hitze. Und hin und wieder berührt man sich. Es ist nicht unangenehm. Prickelt an genau der Stelle, an der man sich trifft, einen Moment lang miteinander verbunden.

Ich tanze. Meine Beine sind schwer. Die Augen kaum noch offen, mein Mund und meine Kehle trocken. Schweiß läuft meinen Rücken hinunter. Ich tanze weiter. Meine Hände werden von anderen erfasst und ich folge ihren Bewegungen. Fremde Lippen drücken sich auf meine. Ob die einer Frau oder eines Mannes – ich weiß es nicht. Dann kribbelt es in meinem Nacken. Eine unmittelbare Berührung. Aber nicht Haut auf Haut. Es sind Blicke, die über mich streichen. Eine Hitze, die nichts mit Bewegung zu tun hat. Ich drehe mich und öffne die Augen. Mein Blick trifft auf große, dunkle Augen, die mich anstarren.

Die Kleidung klebt faltig an meiner Haut. Ich tanze, unter seinem Blick. Es kribbelt überall, mein Puls pocht an meinem Hals, mein Herz krampft. Es tut weh. Die Last seines Blickes. Ich kann ihm nicht entkommen, bis ich von den tanzenden Körpern um mich herum verschlungen und an einer entfernten Ecke des Raums wieder freigelassen werde. Meine Muskeln schmerzen. Der Blick des Fremden fehlt mir.

***

Der Barkeeper rüttelt an meiner Schulter. Ich wache auf, auf der weißen Ledercouch, die von Schweiß und Alkohol klebt. Ich sehe mich um. Der Raum ist durch Leuchtstofflampen strahlend hell. Es tut in meinen Augen weh. An den Wänden kleben Bilder von Hitchcocks‘ Filmen. Hinter mir hängt eine Silhouette mit erhobenem Messer. Der Barkeeper hält mir ein Glas Wasser hin. Ich trinke. Meine Ohren sind wie betäubt. Ich stehe auf und wanke nach draußen. An der Tür halte ich mich kurz fest. Dann seh ich sie: die Augen, die mich beim Tanzen beobachtet hatten. Ich lache über mich. Sie gehören Norman Bates*. Genauer: es ist nur sein Bild. Ich schleppe mich und meinen Körper, der mir kaum noch gehorchen will, nach draußen und lache. Was für eine Nacht.

*Norman Bates: Antagonist aus Roman und Verfilmung Psycho

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