September

von Annika Kemmeter

Der September ist für mich immer ein letztes Aufatmen gewesen.  Ein Luftschnappen, um die Lunge mit schwerer Sommerluft zu füllen. Sie schmeckt nach überreifen Weintrauben, nach Sandstaub und trockenem Gras. Erste Blätter bedecken schon die aus dem Boden ragenden Wurzelrücken. Sie haben die Äste lang genug mit ihrem Grün geschmückt, den starren Baum zum Leben erweckt. Langsam aber wird er müde, bald wird er schlafen. Er lässt sie trocknen, fallen, ziehen. Bald zerbröseln sie zu Blätterkrümeln, nur ihr Aderngerippe hält noch eine Weile seine Form, bevor es einknickt wie die filigranen Beine eines Insekts kurz vor dem Absprung. Tosende Laubbläser pusten die krossgebackenen Blätter zu einem Haufen, hinterlassen neben Abgasgestank und freien Wegen Knisterberge zum Hineinspringen. Mit Sandalen, deren winzige Ritzen zwischen Riemchen und Füßen die Blätterbrösel zum Darinwohnen einladen. Mit neuen Sportschuhen, deren weiße Sohlen sich vom Bröselbraun abheben wie Milchzähne. Unsere Haut ist kupfern und sommerwarm wie das Licht, aber wir erahnen schon den Nebel, das Grau, das Dunkle. Das Gemütliche, das jedem Brettspiel am Wohnzimmertisch innewohnt, bevor wir vor Wut weinen, weil wir mal wieder verloren haben. Unwirklich, ja fremd sogar kommt uns die Vorfreude auf einen heißen Kakao vor und auf Handschuhe, auf Heizungen vorgewärmt. Waren das wirklich wir, die hineinschlüpften, bevor wir in Daunenjacken gehüllt im Dunklen zur Schule gingen? Jetzt ziehen wir noch mal los und rennen atemlos durch die abgeernteten Weinreben mit dem Sonnenlicht um die Wette. Und auf der Terrasse sitzen die Erwachsenen mit ihren gekühlten Weingläsern, in denen sich der goldene Abendschein bricht. Und dann versinkt die Scheibe in spektakulären Farben und sie holen Decken, in die wir uns kuscheln, sobald sich die ersten Sterne zeigen.

Image by Pezibear from Pixabay.

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