von Verena Ullmann
Eines Frühlings, da hatte ich plötzlich Schmetterlinge im Bauch. Ist doch schön, denken Sie? Also bitte, muss ich einwerfen: Wer hat schon gerne Insekten im Verdauungstrakt. Und wer verlässt sich in so wichtigen Dingen denn bereitwillig auf diese fragilen, unberechenbaren Tierchen, die nicht mehr fliegen können, sobald man der Versuchung nachgibt, mit der Fingerspitze ihre zitronengelben Flügel zu streicheln? Wahrscheinlich nur die Leute, die davon überzeugt sind, dass die Verliebtheit, das flatterhafte Ding, ja zwangsläufig sofort wieder verfliegen muss, ohne, dass man etwas dagegen machen kann. Wenigstens war es für mich so schmerz- und folgenfrei wie ein Schnupfen.
Kurze Zeit später war ich beruflich in England. Und, was soll ich sagen: I fell in love. Ja, dort fällt man rein in die Liebe, wie in ein tiefes Loch. Da kann man sich, je nach Fallhöhe, schon mal was brechen, love hurts eben. Zumindest im Gegensatz zum Schmetterlingsverliebtsein, diesem temporären Parasitenbefall. Ich habe mich dann vor allem gefragt, ob ich je und wie ich überhaupt wieder rauskommen würde, aus dem Loch auf der Insel. Nach etwa einem Jahr habe ich es dann mit letzter Kraft geschafft, ins Flugzeug zu steigen.
In der Maschine saß ich neben einer sehr charmanten jungen Dame und wir waren sofort auf Wolke Sieben. Wie schön, sagen Sie schon, so fluffig und bequem – und diese herrlich himmelblaue Aussicht! Ich kann Ihnen die Wolke Sieben aber ganz und gar nicht empfehlen: Sie ist so instabil und vergänglich wie diese Schmetterlingshorde – und dann stürzt man noch nicht mal Hals über Kopf in die Liebe rein, sondern von ihr runter. Keine gute Wahl.
Als ich mich von den weiteren Knochen- und Herzbrüchen erholt hatte, machte ich Urlaub in Paris. Ich bestellte ein Croissant in einem Café und bekam stattdessen einen coup de foudre serviert. Die Liebe schlug gleich auf den ersten Blick ein wie ein Blitz. Wie Sie sich denken können, führte das zu mittelschweren amourösen Verbrennungen, wenn nicht sogar ernsthaften inneren Verletzungen, die mir noch lange zu schaffen machen sollten.
Nach Paris zog ich mich längere Zeit zurück, um mein Liebes-Immunsystem zu stärken. Nun kann man sich aber nicht ewig verstecken. Und der Häufigkeit der Ereignisse nach zu schließen, war meine Anfälligkeit vielleicht einfach genetisch bedingt. Das muss doch auch anders gehen, dachte ich mir, ohne Knochenbrüche, Gefangensein, Verbrennungen und Organschäden. Ich recherchierte eine Weile im Internet. Und bestellte mir dann ein modisches Accessoire, das zwar lächerlich aussah und mein Blickfeld massiv einschränkte, jedoch ganz angenehm zu tragen war: Eine rosarote Brille.