von Arina Molchan
Wenn du dich durch die vitrinenverzerrte, bildschirmblaue, kopfhörertaubstumme Last-Minute-Masse drückst, jemanden anrempelst, fast stehen bleibst, weil die zwei Daunenmäntel vor dir zu langsam sind und du zu schnell, weil dein Lebensmittelpunkt in der Tasche vibriert, eine Nachricht, noch eine Nachricht, weil du noch in den dritten Stock musst, oder doch in das Untergeschoss, weil jemand dir die Kopfhörerkabel mit dem Jackenärmel beim Schnäppchenwühltisch aus dem Ohr reißt und die Playlist plötzlich halbnackt klingt, weil du irgendwo hängen bleibst und die Tüten sich zwirbeln, weil du vergisst, was du auf keinen Fall vergessen solltest – wenn du deshalb endlich stehen bleibst, dann kann es sein, dass du, ganz kurz, die Dezemberkälte an den Knöcheln spürst, das Wespenflügelrascheln der Jacken hörst, dir ein Gesicht aus der Menge merkst, einen Augenblick lang einfach nur bist.
Weil dem aber nicht so ist, und du gedankenkreisend durch die Massen eilst und alles und nichts gleichzeitig siehst, alles und nichts gleichzeitig hörst, weil du glaubst zu müssen, auch wenn du sonst an nichts anderes mehr glaubst, weil du zu den greifenden Händen gehörst, zu den Beinen in der Kassenschlange, zu dem Plastikkartenschwarm, weil du gehörst – bist du nicht allein.